Mit Sorgen im Gepäck
„Wie – Du freust dich nicht?“ Die 24-jährige Saskia ist entsetzt. Da steht ihre Freundin Steffi, 25, kurz vor dem schönsten Tag ihres Lebens und hat Sorgenfalten auf der Stirn. „Ja klar freue ich mich“, murmelt Steffi, „aber meine Eltern sind gegen meine Beziehung mit Martin. Wir haben schon oft darüber diskutiert, ich habe schon oft versucht, ihnen klar zu machen, dass es mein Leben ist. Aber meine Eltern stellen sich einfach stur, selbst jetzt noch – so kurz vor der Hochzeit!“
So wie der 25-jährigen Steffi geht es nicht wenigen Paaren. Der Termin ist reserviert, das Hochzeitsaufgebot ist bestellt – und trotzdem mag nicht die rechte Freude aufkommen, nicht nur, weil die Eltern mit der Partnerwahl nicht einverstanden sind. Streit zwischen den Familien, die Angst, den falschen Schritt zu tun, Überforderung und schlechte Erfahrungen – die Gründe können vielfältig sein.
Die Evangelischen Beratungsstellen sind für alle Menschen da
Umso wichtiger ist ein vielschichtiges Hilfsangebot. Die Evangelischen Beratungsstellen unterstützen Paare durch gezielte Beratung bei Problemen und suchen gemeinsam einen Weg aus der Krise, der zu den Ratsuchenden passt und für ihre Lebenssituation stimmt. In die Evangelischen Beratungsstellen kann jeder kommen, unabhängig davon, ob er Mitglied in der Kirche ist. Die Beratungsstellen sind für alle Menschen da, und sämtliche Berater stehen unter Schweigepflicht.
Die Beratung ist in der Regel kostenlos, nur für besondere Angebote wird ein kleiner Eigenbeitrag erwartet. In den Ballungsräumen Nürnberg und München zum Beispiel können auch die Teams der Erziehungs-, Paar- und Lebensberatung der Stadtmission Nürnberg beziehungsweise des Evangelischen Beratungszentrums München für Informationen und Hilfe angefragt werden.
Brigitte Hauner-Münch, ehemalige Leiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatung des Evangelischen Beratungszentrums München e.V., und Willi Frings, Psychologe und Paarberater im Evangelischen Beratungszentrum München, geben im Folgenden Hinweise, wie man gängigen Sorgen am besten begegnen kann.
Was können Frauen tun, die gern heiraten möchten, deren Eltern aber die Beziehung nicht unterstützen?
Frings: Paare heiraten ihren Partner und nicht ihre Herkunftsfamilien. Deshalb sollten sie den Schwerpunkt darauf setzen, was sie wollen, und nicht darauf, was ihre Eltern wollen. Am schnellsten holen sie die skeptische Familie ins Boot, indem sie ihr eine gelingende Partnerschaft und später eine gute Ehe vorleben.
Warum ist ein solcher Schritt wichtig?
Hauner-Münch: Gerade für junge Paare ist es wichtig, die Loyalität eher bei ihrer neuen Familie zu sehen. Junge Leute müssen lernen, eigene Entscheidungen zu treffen, auch wenn die Eltern diese Entscheidungen nicht immer gut finden.
Was kann man Menschen raten, die bei der Organisation der Hochzeitsfeier an ihre Grenzen stoßen und sich überfordert fühlen?
Hauner-Münch: Die Paare sollten versuchen, für sich herauszufinden: "Wodurch entsteht das Gefühl der Überforderung? Ist die Hochzeit vielleicht zu groß geplant? Wird die Hochzeit auf Wunsch der Eltern geplant oder auf unseren eigenen Wunsch? Können wir uns Hilfe holen und Aufgaben delegieren?"
Überforderung wurzelt oft in überhöhten Ansprüchen an sich selbst, die Mitmenschen und die Umwelt, und es ist wichtig herauszufinden, warum eigentlich alles perfekt sein muss und ob nicht auch 80 Prozent reichen würden statt 100 Prozent. Wenn die Hochzeitsfeier nicht perfekt ist, heißt das ja noch lange nicht, dass die Ehe scheitert. Zudem kann man über kleine Pannen im Nachhinein garantiert lachen - sie wirken immer entspannend auf die Gäste – es soll ja eine gute Erinnerung werden.
„Leben passiert, während du eifrig dabei bist, Pläne zu machen.“
Willi Frings, Psychologe und Paarberater im Evangelischen Beratungszentrum München
Aber so ein Hang zum Perfektionismus kann ja ganz schön hartnäckig sein. Wie können unverbesserliche Perfektionisten sich selbst helfen?
Frings: Sie sollten sich klarmachen, dass sie gemocht werden, OBWOHL sie so perfektionistisch sind und nicht WEIL sie so hohe Ansprüche haben. Leben passiert, während du eifrig dabei bist, Pläne zu machen…
Was ist, wenn Mann oder Frau vor dem letzten Schritt, dem Gang zum Altar, noch zurückschreckt, weil ihm oder ihr das Scheitern einer vorangegangenen Ehe noch allzu präsent ist?
Hauner-Münch: Der Mann oder die Frau sollte versuchen, ehrliche Antworten zu finden auf folgende Fragen: "Was war so schlimm, dass es noch so viel Raum einnimmt in mir? Wie möchte ich es anders haben? Wie können wir uns schützen vor alten Fehlern?" Es ist wichtig, darüber ganz offen zu reden, um ungelöste Konflikte in sich selbst nicht auf die neue Beziehung zu projizieren. Ungeklärte Verstrickungen sollte man nicht wegschieben, sondern ernst nehmen und anschauen, zur Not mit professioneller Hilfe klären und herausfinden, was der eigene Anteil daran ist. Sonst tut sich jeder neue Partner schwer.
Andere Problemsituation: Eine Frau oder ein Mann hat bereits Kinder aus einer letzten Ehe, und nun gibt es mit dem künftigen Ehepartner Streit über die Anwesenheit der Kinder bei der neuen Hochzeit. Was raten Sie?
Hauner-Münch: Kinder gehören grundsätzlich zu einer Hochzeitsfeier dazu - der neue Partner muss das akzeptieren. Ebenso sollte auch ein Ex-Partner so einsichtig sein, dass es für die Kinder wichtig ist, den Schritt der Mutter in ihr neues Leben zu begleiten, auch wenn sie aus einer anderen Ehe stammen – das zeigt den Kindern Wertschätzung. Menschen, die um Kinder streiten, sollten sich darüber im Klaren sein, dass es in diesem Fall nicht um ihre Kränkungen gehen kann, sondern ausschließlich um das Wohl der Kinder.
Und wenn einen Partner plötzlich Torschlusspanik befällt – wenn er plötzlich grundsätzliche Zweifel daran bekommt, ob der Auserwählte oder die Auserwählte wirklich der oder die Richtige ist, ob es mit ihm oder ihr klappen wird?
Frings: Zweifel wie diese sollte man ernst nehmen. Aber den letzten Zweifel wird man nicht ganz verscheuchen können, denn Zweifel sind in solch einem Stadium der Partnerschaft ganz normal: Die Beziehung wird auf eine verbindlichere Ebene gehoben, es wird enger, und das macht Angst.
Hauner-Münch: Es gibt Bedenken kurz vor der Hochzeit, die recht normal sind. Grund für allzu starken Zweifel kann aber auch eine Bindungsangst sein. Wobei man sich auch hier wieder im Klaren sein sollte, dass beide Partner nicht perfekt sein müssen, um eine gute Ehe zu führen.
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